Rückspiegel (7) oder: Bin wieder da

Die letzte Zeit im Rückspiegel: Alltagsbeobachtungen, Anekdoten, Gedanken, die in wenigen Zeilen erzählt sind oder mit einem Bild (oder vielen) ausgedrückt werden können.

Radunfall

Krankenhausbett aus der Perspektive der im Bett liegenden mit Monitor gegenüber vom BettEnde Juni hatte ich einen Fahrradunfall, der mir eine Blaulichtfahrt ins Wolfsburger Krankenhaus samt Rendezvous unterwegs mit einer Notärztin eingebrockt hat. Bremse nur leicht angetippt, aber Vorderrad hat blockiert, unschöner Salto über den Lenker, der mir wohl in den Bauch gedonnert ist, mit dem Kopf gebremst und auf die linke Seite aufgeschlagen. Ich hab noch Glück im Unglück gehabt, „nur“ Gehirnerschütterung, und alles auf der linken Seite geprellt, was geht. Wäre ich ohne Helm oder geringfügig schneller unterwegs gewesen – bloß nicht dran denken. Drei Wochen war ich lahmgelegt und habe gefürchtet, dass meine geplante China-Reise ausfallen muss. Aber am Tag vorm geplanten Abflug waren Röntgenbild und Lungenfunktionstest deutlich besser: arbeiten bzw. urlauben (und fliegen!) wieder erlaubt. Uff.

Urlaub in China

Als erste Aktion nach so langem Rumliegen gleich einen Langstreckenflug anzutreten, war schon sportlich, also nach der Ankunft erstmal wieder hingelegt. Es folgte eine fürchterliche Nachricht aus Deutschland, die durchwachte Nächte nach sich zog. Dazu die Hitze (36 Grad, gefühlt noch heißer), die ich nicht mehr gewöhnt bin – ich musste es wirklich langsam angehen lassen.

Relaxen auf Hainan

Dann bin ich nach Sanya weitergeflogen, um mich dort richtig zu erholen. Gute Entscheidung, ich habe „gar nix muss ich“ zum Urlaubsmotto erhoben, ganz viel geschlafen, aufs südchinesische Meer geguckt, gelesen, geplantscht, gedöst und – völlig untypisch für mich – keinen einzigen Ausflug gemacht, nur kurze Spaziergänge.

Und genau das war das, was ich gebraucht habe. Abstand tut gut, nicht nur der räumliche Abstand, sondern auch die Zeitverschiebung: ich war komplett aus der Welt gefallen und ganz für mich und ganz bei mir. Das tat unglaublich gut. Und jetzt habe ich gute Gründe, irgendwann wieder auf die Insel zu fliegen, da gäbe es tatsächlich einiges zu entdecken und zu unternehmen. Mein Timing war gut: Während ich auf Hainan war, ist Peking untergegangen, und der Tsunami hat es nicht bis Hainan geschafft.

 

Streifzüge durch Peking

Die Verbotene Stadt in Peking vom Kohlehügel aus gesehen

Zurück in Peking habe ich Freundinnen getroffen, Lieblingsorte wieder aufgesucht (z.B. Shichahai, Kohlehügel und den Art District 798) und neues entdeckt (Tempel für Landwirtschaft, der gleichzeitig auch Architekturmuseum ist). Näheres dazu demnächst drüben im Pekingblog. Zwischendrin immer wieder entweder Starkregen, so dass Berge und Mauer kein sicheres Ziel gewesem wären oder es in Richtung Katastrophentourismus gegangen wäre. Immerhin war der Regen warm. Insgesamt krasse Hitze, bin ich nicht mehr dran gewöhnt (gefühlte 45 Grad haben mich an einem Tag dann doch umgehauen). Aber alles, was ich diesmal nicht geschafft habe – läuft nicht weg, nächstes Mal.

Peking ist ganz vertraut einerseits, andererseits gilt nach wie vor: das einzig Beständige in Peking ist der schnelle Wandel. Wow, was hat sich der Liangmafluss verändert, eine Oase mitten im Botschaftsviertel. Wie schnell die neuen Hochhäuser im CBD in die Höhe schießen und sich die Ansichten ändern! Nur die neue Mall, wo früher mal der große Flowermarket war, die ist noch nicht fertig.

Pekings CBD (Central Business District) - Blick bei Nacht aus der Atmosphere Bar, 80. Etage

Ich habe mein Leben in Peking geliebt und denke gerne daran zurück. Und ich werde sicher auch künftig immer wieder mal nach China reisen. Aber es ist nicht mehr mein Zuhause, das Kapitel ist abgeschlossen, und so war es auch in dieser Hinsicht ein wohltuender Urlaub.

Der Alltag hat mich (fast) wieder

Da ich schon vor 4 dank Jetlag hellwach war und dafür später wieder fest eingeschlafen bin, habe ich die heutige Gedenkveranstaltung zu den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki versäumt. Dafür fühle ich mich nun fit genug für John Garner im Volksbad Buckau, das wird sicher ein schöner, unbeschwerter Sommerabend. Mit der Umgestaltung meiner Wohnung lasse ich  mir Zeit, habe nur schon damit angefangen, des Juniors Hinterlassenschaften zusammenzupacken und gut zu verstauen. Morgen lass ich es auch noch mal ruhig angehen, bis mich am Montag dann der Alltag wieder hat – nach über sechs Wochen. Höchste Zeit!

 

 

Nie wieder Hiroshima, nie wieder Nagasaki – warum wir die nukleare Bedrohung nicht vergessen dürfen

Morgen, am 6. August, ist Hiroshima-Gedenktag. Vor 80 Jahren wurde die erste Atombombe auf Hiroshima und drei Tage später eine weitere auf Nagasaki abgeworfen. Diese Gedenktage sind nicht einfach nur Zahlen im Kalender, sondern dahinter steht entsetzliches, massenhaftes Leid. Diese Gedenktage erinnern mich daran, wie zerbrechlich alles ist, was wir oft für selbstverständlich halten: Frieden, Sicherheit, Zukunft. Diese Gedenktage bewegen mich jedes Jahr aufs Neue, denn sie holen auch eine Angst zurück, die mich schon als Kind heimgesucht hat – und die heute wieder erschreckend real wird.

Die Abwürfe, die alles veränderten

Am 6. August 1945 wurde Hiroshima durch die erste im Krieg eingesetzte Atombombe zerstört. Drei Tage später traf es Nagasaki. Hunderttausende Menschen starben sofort oder an den Spätfolgen. Ganze Städte verschwanden in einer Wolke aus Hitze, Druckwelle und radioaktiver Strahlung. Befürworter der Abwürfe behaupten, diese hätten den Krieg beendet. Aber sie haben auch etwas begonnen: das atomare Zeitalter. Plötzlich wusste jeder: Mit einem Knopfdruck kann die Menschheit sich selbst auslöschen.

Die Angst meiner Kindheit

Ich bin mit dieser nuklearen Bedrohung aufgewachsen, als Kind habe ich mich gefürchtet, dass irgendwann einer den roten Knopf drückt. Und dann kam der Film The Day After, dessen Bilder mich wochenlang verfolgt und um den Schlaf gebracht haben: Pilzwolken, gleißendes Licht, brennende Städte – haben mich nachts nicht mehr losgelassen. Ich konnte kaum schlafen. Tagsüber habe ich mir ausgemalt, wo in Hamburg die Bombe einschlagen würde, ob ich überleben könnte, wo ich mich verstecken könnte. Der Film war die Illustration meiner eh vorhandenen Ängste, die mich lange Zeit begleitet haben.

Die Erleichterung, als die Mauer fiel: Das Ende der Geschichte?

Und dann kam dieser Moment, der wohl nicht nur mich mit viel Zuversicht erfüllt hat: der Zusammenbruch des Ostblocks. Das war nicht nur die deutsche Wiedervereinigung, sondern die Angst vor dem dritten Weltkrieg hat sich verflüchtigt: Abrüstung jetzt, wir brauchen keine Waffen mehr, Frieden ist möglich.

Der Politikwissenschaftler Francis Fukuyama schrieb damals vom „Ende der Geschichte“. Die liberale Demokratie habe gesiegt, die großen Systemkämpfe seien vorbei. Ich weiß, dass man Fukuyamas These später kritisch hinterfragt hat – aber für mich fühlte sich diese Zeit tatsächlich so an. Friedlicher, sicherer. Kein Wettrüsten mehr, Schluss mit der permanenten nuklearen Bedrohung. Die schlaflosen Nächte wurden weniger. Vielleicht naiv, hat sich trotzdem gut angefühlt.

Und jetzt: Zurück in die Bedrohung?

Doch es folgte der Jugoslawienkrieg. 9/11. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Der grauenhafte Überfall der Hamas und die schrecklichen Folgen. Und diese Liste ist nicht einmal vollständig. Vom Weltfrieden sind wir wieder weit entfernt, unsere Sicherheit war brüchiger, als ich dachte. Wenn der Präsident der USA öffentlich damit prahlt, Atom-U-Boote in Richtung Russland zu schicken – dann wird mir schlecht. Dann bin ich wieder das Kind vor dem Fernseher, das sich fragt: Was passiert, wenn einer von ihnen wirklich auf diesen Knopf drückt? Wir leben in einer Zeit, in der wieder offen über atomare Drohungen gesprochen wird. Verträge werden aufgekündigt, neue Sprengköpfe entwickelt, Machtspiele gespielt, Autokraten drohen mehr oder weniger unverblümt mit Nuklearwaffen. Die Gefahr eines nuklearen Konflikts ist so real wie seit den 80ern nicht mehr.

Hiroshima und Nagasaki verpflichten uns

Gleichzeitig verschwindet die Erinnerung an die, die es erlebt haben. Die Stimmen der Hibakusha (japanisch für die Überlebenden der Atombomben) werden leiser und werden in absehbarer Zeit ganz verstummen.

Abrüstung ist keine naive Utopie. Sie ist eine Notwendigkeit. Und sie beginnt mit Erinnerung – und mit der klaren Haltung, dass wir unsere Zukunft nicht in den Schatten eines roten Knopfes stellen dürfen. Wer heute sagt, nukleare Abrüstung sei gefährlich, irrt gewaltig. Gefährlich ist, zu glauben, wir könnten ewig mit dieser Bedrohung spielen, ohne dass sie irgendwann Wirklichkeit wird.

Ich will nicht, dass meine Kinder oder Enkel einmal so schlafen – oder nicht schlafen – wie ich nach The Day After. Ich will nicht, dass Politiker mit roten Knöpfen prahlen. Ich will, dass Diplomatie, internationale Verträge, Abrüstung und Dialog wieder selbstverständlich werden. Sicherheit entsteht nicht durch Abschreckung, sondern durch Vertrauen, Transparenz und Abrüstung. Das ist keine linke Träumerei – das ist nüchterner Selbstschutz.

Erinnern heißt handeln

Für mich ist der Hiroshima-Gedenktag keine historische Pflichtübung, sondern ein Tag, an dem mir besonders bewusst ist, dass Frieden keine Selbstverständlichkeit ist. Dass die nukleare Bedrohung nicht der Vergangenheit angehört. Und dass es unsere Verantwortung ist, wachsam zu bleiben. Wir dürfen uns nicht einreden lassen, dass nukleare Abschreckung Sicherheit bedeutet. Was uns wirklich sicher macht, ist Abrüstung, Dialog, Diplomatie. Und der Mut, sich diesem Thema immer wieder zu stellen – auch wenn es Angst macht.

Nie wieder Hiroshima. Nie wieder Nagasaki. Das darf nicht nur ein Spruch auf einem Kranz sein.

Ein Zeichen setzen?

Magdeburg erinnert sich am 9. August 2025 ab 10 Uhr auf dem Lukashügel an der Stele der Völkerfreundschaft. Weitere Informationen dazu finden sich hier.

Dieses Posting ist mein Beitrag zur Blogparade #relevant zum Thema „Gedenktage“. Alle Informationen dazu sowie weitere Artikel zum Thema findest Du hier.