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Nie wieder ist jetzt

Ein starkes Zeichen gegen Rechts

Ein breites Bündnis hatte zur Demo gegen Rechts am 17. Februar 2024 aufgerufen – über 100 Organisationen, darunter Gewerkschaften, Kirchen, Parteien… Und gerade Letzteres habe ich als sehr positiv empfunden, denn auf den letzten Veranstaltungen gegen Rechts wurde von vereinzelten Rednern Regierungsparteien in die Nähe der AfD gerückt. Das. Geht. Gar. Nicht. Das ist geschichtsvergessen, grundfalsch und dumm und hat mit berechtigter (!) Kritik NULL zu tun.

Es wird Zeit, dass begriffen wird: wir können jetzt nicht über Halbsätze und andere Kleinigkeiten streiten, denn wir brauchen ein breites Bündnis, um den blaubrauen Sumpf auszutrocknen, bevor es zu spät ist. Wohin eine gespaltene Linke führt, haben wir (bzw. unsere Eltern, Großeltern, Urgroßeltern) im letzten Jahrhundert gesehen. Die Situation ist so bedrohlich, wir brauchen alle demokratischen Parteien an Bord, auch wenn sie nicht „links“, sondern konservativ oder liberal sind.

Jetzt ist die Zeit, kompromissfähig zu sein und bei allem, was sonst trennt, in einem klar gemeinsam einig zu sein: Kein Fußbreit dem Faschismus.

Dem Aufruf sind viele gefolgt. Klar, die absoluten (und relativen) Zahlen in Hamburg, Berlin, München sind beeindruckend. Aber hier erfordert es tatsächlich ein Quantum Mut, um sich aufzumachen – der Anteil der Blaubraunen ist hier deutlich höher, die Bedrohung ist real. Und von daher sind die 5-6000 Menschen, die hier auf die Straße gegangen sind, ein großer, ermutigender Erfolg. Nun heißt es: Dranbleiben.

Ein Satz aus den vielen Reden, der mich besonders berührt hat:

Wir sind hier nicht vor dreißig Jahren vom Dom aus losgegangen, um heute 90 Jahre früher anzukommen.

Fotos

Es geht los am Hauptbahnhof:

Natürlich sind die Omas gegen Rechts mit dabei!

Und „Bärte gegen Rechts“ sind auch dabei:

Der Demonstrationszug kommt am Dom an.

Demo gegen Rechts, Magdeburg, SW-Bild

Während der Kundgebung auf dem Domplatz – Blick auf den Dom:

Und auf den Landtag und in Richtung Bühne:

Die Partei ist auch dabei:

 

Hoffnung?

Wir sind mehr

Natürlich hängt mein Herz noch an Hamburg, und wenn in Hamburg Gutes passiert, freut mich das. Dass die Demo gegen Rechts wegen Überfüllung abgebrochen werden musste, stimmt mich besonders froh. Selbiges gerade in München. Und überall in der Republik kommen Tausende, Zehntausende, in der Summe Hunderttausende zusammen.

Aus Magdeburg gibt es nicht ganz solche Rekordzahlen zu vermelden, allerdings ist hier schon die ganze Woche über Aktionswoche gegen Hass und Hetze – und das war erfolgreich: Naziaufmärsche anlässlich des Jahrestags der Zerstörung Magdeburgs im 2. Weltkrieg hat es nicht gegeben. Auch das ist eine sehr gute Nachricht.

Zusammenhalt ist nötig

Kurzer Exkurs: schon wieder höre ich von Konflikten innerhalb der Aktiven, wer mit wem gemeinsam aufrufen kann und wer nicht beim organisieren dabei sein soll; Abgrenzungen oder Unwille zur Zusammenarbeit, weil man mit einzelnen Positionen, Parteien (demokratischen!) oder Personen Probleme hat. Das gab es schon mal, und wir wissen, wo’s hingeführt hat. Aktuell geht es um nichts weniger als die Verteidigung der Demokratie bevor die Demokratiefeinde diese abschaffen. Diese Spaltung und Zersplitterung stimmt mich traurig.

Wenn nicht mal die fortschrittlichen Kräfte in der Lage sind, mit Kompromissen und Widersprüchen zu leben, wie sollen dann die Verblendeten, Verführten überzeugt werden, die auf die vermeintlich simplen Antworten der AfD auf die komplexen Herausforderungen unserer Zeit hereinfallen?

Wann, wenn nicht jetzt?

Die Umfragewerte der AfD sind bedrückend, viel zu hoch. Dass – regional unterschiedlich ausgeprägt – bis zu einem Drittel der Leute sich bei denen wiederfindet, ist erschütternd. Hat die Gesellschaft und besonders das Bildungssystem so krass versagt, nicht nur bei der Vermittlung von Geschichte, sondern auch von Werten?

Da schenkt es gerade ein bisschen Hoffnung, dass die schweigende Mehrheit nicht mehr schweigt, sondern überall im Land laut und sichtbar wird. Aber so ermutigend das ist: es wird nicht reichen, ist aber hoffentlich Anstoß, entschlossener gegen die AfD vorzugehen.

AfD-Verbot jetzt auf den Weg bringen

Denn Hoffnung und der Hashtag #wirsindmehr allein, das reicht nicht. Seit der Correctiv-Berichterstattung über das Potsdamer Treffen sollte jedem und jeder klar sein, wohin die Reise mit der AfD geht. Es ist höchste Zeit für ein Verbot. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes standen noch unter dem direkten Eindruck des Dritten Reichs und haben sich etwas dabei gedacht, als sie das Instrument des Parteienverbots entwickelt haben. Ich kann das Gegenargument „man muss die AfD politisch stellen“ nicht mehr hören – das ist zwar auch wichtig, klappt dennoch seit vielen Jahren nicht, die AfD ist im Aufwind. Das mit der Medienkritik lasse ich heute mal außen vor, false balance und Co. haben aber auch einen nicht zu unterschätzenden Anteil am Aufstieg der Blaubraunen.

Ein Verbotsverfahren wird sich jahrelang hinziehen, und wenn’s ganz übel läuft, könnte es scheitern. Aber beides ist kein Grund, es nicht zu tun. Chan-Jo Jun, Anwalt und unter anderem am Bayrischen Verfassungsgerichtshof tätig, glaubt, dass selbst ein gescheitertes Verbotsverfahren der Demokratie nutzen könnte, weil es die AfD zwänge, sich zu entradikalisieren. Aber das Scheitern ist unwahrscheinlich, die Situation heute ist doch eine andere als beim NPD-Verfahren.

AfD-Verbot ist das eine, das andere ist, dass damit das braune Gedankengut nicht aus den Köpfen der AfD-Anhänger ist. Ich wünsche mir, dass der Rechtsstaat seine Mittel stärker ausschöpft: in den Reihen der Bundeswehr und der Polizei (wieviele Ekel-Chats sollen denn noch bekannt werden, bevor sich was tut?), in der Lehrerschaft, in Behörden (gerade in Ausländerbehörden sollte mal genauer hingeschaut werden). Schluss mit der angeblichen Toleranz, die nichts weiter ist als Beliebigkeit. (Den Popper-Exkurs spare ich mir jetzt mal.)

Das „politische Stellen der AfD“ muss trotzdem weiter betrieben werden, hoffentlich mit mehr Erfolg als bisher. Da geht es vor allem auch um Werte. Mit Hass und Hetze, Neid und Missgunst lässt sich keine gute Politik machen. Wer an einer guten Zukunft arbeiten will, muss die Menschen mögen und auch mal gönnen können (bzw. das vermitteln können und nicht direkt immer umfallen). Es braucht beides: AfD-Verbot und gute Politik.