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Schnee in Magdeburg

Es hat geschneit, es war glatt und rutschig, also musste mein Fahrrad stehen bleiben. Der Nachteil vom Straßenbahnfahren: mein Arbeitsweg dauert mehr als dreimal so lange, allein der Fußweg zur Straßenbahn dauert so lange wie ich sonst insgesamt brauche. Aber einen Vorteil gibt es dann doch: ich kann die Kamera in die Hand nehmen, und das habe ich dann letzte Woche auf dem Rückweg auch getan. Es geht vorbei am Kriegerdenkmal…

… und an Sternsingern, die vor dem Dom ein Gruppenbild schießen.

Die Gedenkkerzen auf dem Domplatz werden vom Schnee zugedeckt, die Erinnerung aber bleibt.

Licht im Dunkeln gibt es von der Lichterwelt auf dem Domplatz.

Ich gehe durch den Innenhof des Hundertwasserhauses zum Breiten Weg.

Am Allee-Center fährt meine Straßenbahn ab. Während ich hier warte, bin ich traurig und wütend zugleich.

Die Straßenbahn lässt auf sich warten.

Für meinen Geschmack war das jetzt genug Schnee. Wie lange noch bis zum Frühling?

Entsetzen, Fassungslosigkeit, Trauer

Wie lassen sich Worte finden für das Undenkbare, für das Unsagbare?

Was hat es im Vorfeld für Diskussionen in der Stadt gegeben über angeblich überzogene Anforderungen an Sicherheitskonzepte auch für die kleineren Weihnachtsmärkte. Auch ich habe insgeheim gedacht, dass die roten und grünen Barrikaden in der Stadt übertrieben sind, habe mich geärgert über den zugestellten Radweg. Und jetzt zeigt sich, dass es nicht genug war, nicht ausreichend. Aber ist das so? Kann es wirklich 100%ige Sicherheit geben – und was wäre der Preis dafür?

Magdeburg – unsere kuschelige, überschaubare Landeshauptstadt. Das ist nicht Berlin, nicht Paris, nicht New York. Schreckliche Dinge passieren doch immer nur anderswo, anderen. Dieser Gedanke steckt insgeheim in vielen von uns, vielleicht aus Selbstschutz. Die Alternative wäre ein Leben in ständiger Angst und Dauer-Alarmbereitschaft. Die vermeintliche Sicherheit hat sich nun als Illusion erwiesen. Es ist passiert, hier in meiner neuen Wahlheimat.

Der Anschlag hat uns mitten ins Herz getroffen. Wenn ich an die Familie des getöteten Neunjährigen denke, schnürt es mir die Kehle zu und mir steigen die Tränen in die Augen. Das ganze schreckliche Ausmaß – bisher 5 Tote und 200 Verletzte – kann ich noch gar nicht richtig fassen.

Ich war in den letzten Tagen so oft auf diesem und den anderen Weihnachtsmärkten, habe die Lichter, die Gerüche, den Glühwein, die Atmosphäre genossen. Und so geht das ganz vielen hier. Ob ein paar Tage, ein paar Stunden oder Minuten früher oder später – es hätte hier beinah jeden treffen können, und das ist auch etwas so Ungeheuerliches und Unbegreifliches an dem Anschlag: der Zufall, die Willkür.

Der Weihnachtsmarkt – der Tatort – ist an einer so zentralen Stelle in der Stadt, hier kommt man immer dran vorbei, man kann dem nicht ausweichen. Ich bin gestern nach der Gedenkstunde daran vorbeigeradelt, weil ich noch Blumen hinlegen wollte. Ich konnte nicht, ich wollte da nicht sein, ich will das nicht sehen, es fühlte sich komplett falsch an, auch nur in der Nähe zu sein.

Das ist jetzt unsere Wunde, für uns einzelne, aber auch für uns als Stadt, als Gemeinschaft. Wir werden lernen müssen, damit zu leben. Aber wie?