Der Schwarm
Achtung – enthält Spoiler!
Der Schwarm von Frank Schätzing gehört zu meinen Lieblingsbüchern. Nicht weniger als der Untergang der Menschheit steht auf dem Spiel – genau mein Genre. Ich mag fiktive (!) Katastrophen, sei es als Buch oder als Film. Ich hab das Buch mehr als einmal gelesen und später auch immer wieder mal das Hörbuch gehört. Schon nach dem ersten Lesen habe ich mir eine Verfilmung gewünscht und beinah zwanzig Jahre darauf gewartet. Tsunamis durch einen Storegga-Effekt, Angriffe durch Wale, vergiftete Krustentiere mit tödlichen Keimen – die Bedrohung kommt aus dem Meer, Wasser wird zur Gefahr für den Menschen. Großartige Schauplätze, die ohne viel Zutun schon tolle Bilder liefern könnten – Trondheim, Vancouver Island… Damit verbunden die unterschiedlichen Handlungsstränge, die schließlich durch die Perspektive des Sigur Johanson miteinander in Verbindung gebracht werden: es handelt sich um einen koordinierten Angriff einer Schwarmintelligenz aus der Tiefsee, von Johanson Yrr genannt.
Vor ein paar Tagen ging nun endlich die ZDF-Miniserie (für schlappe 44 Millionen Euro produziert, die bisher teuerste deutsche TV-Produktion) an den Start. Beinahe alle Kritiken zeigen mit dem Daumen nach unten – ich war gespannt, ob das berechtigt war.
Kotzbrocken?
Sigur Johanson hatte in meiner Vorstellung äußerliche Ähnlichkeit mit Frank Schätzing: schon etwas älter, aber attraktiv, bewusst inszeniertes Äußeres. Ein Bonvivant, der mit seinen Beziehungsentscheidungen hadert, deswegen aber ganz sicher kein Kotzbrocken ist. Ebenso wenig wie Leon Anawak, der mit seiner Herkunft, Identität und Zugehörigkeit zu kämpfen hat – ein nach wie vor aktueller Konflikt, den in der globalisierten Welt unzählig viele Menschen mit sich herumtragen. Ich kann daher so gar nicht nachvollziehen, dass davon die Rede war, man habe die Serie nicht um zwei Kotzbrocken herum erzählen wollen.
Und Jack „Greywolf“ O’Bannon fehlt in den ersten drei Folgen beinah ganz. Nicht nur, dass er im Verlauf der Geschichte entscheidend Einfluss auf Handlung und Lösung einnimmt, sondern auch dass er das für die ganze Geschichte wichtige Thema von Identität und Zugehörigkeit aus einer anderen Perspektive als Leon verkörpert und immer wieder auch im Konflikt mit ihm beleuchtet. Was diese beiden Individuen beschäftigt ist doch nichts anderes als der Konflikt, der mit dem Auftreten der Yrr zum Konflikt der ganzen Menschheit und ihrer Identität wird: Wer bin ich und wo gehöre ich hin? Nichts ist mit „Krone der Schöpfung“ und einziger Intelligenz nicht nur auf dem Planeten, sondern womöglich auch im Universum.
Filmische Umsetzung
Natürlich kann eine Verfilmung ein Buch nicht Wort für Wort auf die Leinwand bringen, schon gar nicht bei über 1000 Seiten, selbst wenn man sich nicht auf Spielfilmlänge beschränkt, sondern eine Serie mit acht Teilen daraus macht. Für mich ist eine Verfilmung dann gut, wenn unterm Strich die gleiche Geschichte erzählt und der Geist der Vorlage transportiert wird. Das kann ich nach den ersten drei Folgen noch nicht abschließend beurteilen.
Aber was ich jetzt schon furchtbar finde: Szenen, die einem „Greenscreen“ um die Ohren hauen. Eine Schiffs-Szene sah so dermaßen nach Amateurvideo aus, dass es mich komplett rausgerissen hat. Sorry, aber das geht heute doch viel besser. Nun bin ich erst Recht auf die Umsetzung des Tsunamis gespannt, der vermutlich in einer der nächsten Folgen über Trondheim, Norwegen und die anderen Nordsee- und Nordmeer-Anrainer hereinbrechen wird. Und: Mal sehen, ob Greywolf der Tom Bombadil des Schwarms werden wird… 😉
Bisher bin ich jedenfalls nicht begeistert, aber auch nicht komplett enttäuscht.
Dieser Beitrag ist ursprünglich im Februar 2023 auf boeweronline.de erschienen, da ich meine Blogs gerade umstrukturiere, gibt es ihn nun hier zu lesen.