Königin der Nacht

Eigentlich hatte ich für gestern Abend geplant, wieder bei der Critical Mass mitzuradeln. Aber dann hab ich nachmittags den Sondernewsletter der Gruson-Gewächshäuser gesehen: Die Königin der Nacht (Selenicereus grandiflorus) wird blühen! Ich habe zwar gerade etwa eine Million Newsletter abbestellt – Zeit fehlt, Interessen und Location haben sich verschoben, … -, aber den hatte ich neulich nach einer Zeitungsmeldung neu abonniert. Zum Glück! 🙂

Audienz bei der Königin

So bin ich also kurz vor 19 Uhr am Treffpunkt der Critical Mass nur vorbeigeradelt und weiter zu meiner Audienz bei der Königin. Ich bin eigentlich kein Pflanzennerd, auch wenn ich es gern grün und bunt habe, aber ich gucke schon nach besonderen Fotospots und Motiven, die nicht unbedingt alltäglich sind. Und solche Gelegenheiten bieten ja nicht nur das Motiv an sich, sondern auch die Menschen dort. Spoiler: Ganz vergessen, dass ich hier in Deutschland nicht so hemmungslos Menschen ablichten darf, da musste ich mich aufs Beobachten beschränken. Eventuell sollte ich doch anfangen, immer passende Formulare dabeizuhaben.

Die Königin der Nacht

Die Königin der Nacht (Selenicereus grandiflorus) ist ein Kakteengewächs. Besonders ist, dass ihre Blüten immer nur für eine Nacht blühen: gegen Abend beginnen die Blüten sich zu öffnen, nach 2-3 Stunden sind sie vollständig geöffnet, am frühen Morgen ist die Pracht vorbei. Die Blüten sind außen karamellfarben, innen weiß mit gelbem Stempel und haben einen Durchmesser von etwa 30 Zentimetern. Die Königin der Nacht blüht nicht nur in einer einzigen Nacht des Jahres, sondern die Blüten können sich unterschiedlichen Tagen öffnen – aber jede einzelne Blüte blüht nur ein paar Stunden.

Sympathischer Empfang – und es geht los

Freundliche Begrüßung beim Ticketkauf, viel war noch nicht los. Ganz im Gegenteil, es war ziemlich leer. Ich frage die Kassiererin nach dem Weg – und schaffe es dennoch, in die falsche Richtung zu gehen. Aber eine andere Besucherin nimmt mich unter ihre Fittiche und führt mich ohne weitere Umwege zum Ort des Geschehens.

Noch sind die Blüten (fast) geschlossen.

Aber es tut sich was. Manchmal sieht man eine leichte Bewegung an den Blüten, manchmal ist es aber auch nur ein leiser Lufthauch. Und so öffnen sich die Blüten langsam immer weiter.

Weitere Attraktionen

Die Mitarbeiter der Gruson-Gewächshäuser sind sehr aufmerksam, begrüßen jeden Neuankömmling und bieten individuelle kleine Rundgänge an, denn an diesem Abend gibt es noch eine zweite Besonderheit: auch die Riesenseerose Victoria cruziana blüht in dieser Nacht. Die Besucherin, die zu Beginn so hilfsbereit war, und ich lassen uns das gerne zeigen.

Beim Anblick des Lotus durchzuckt mich kurz Heimweh nach Peking, ich denke an den Lotus am Houhai. Und dann bin ich aber einfach nur dankbar dafür, dass ich das erleben konnte und bin wieder ganz in dem Moment.

Der Mitarbeiter macht uns auch auf die ulkigen Blüten der Pfeifenwinde aufmerksam und sagt, dass in einer Sackgasse noch eine andere Art davon ist. Die schau ich mir natürlich auch an.

Als ich wieder umdrehe, ist der Mitarbeiter weg, aber die andere Besucherin ist noch da. Sie kennt sich aus und führt mich weiter ein bisschen herum – herzlichen Dank dafür. Jedenfalls mache ich dabei auch die Bekanntschaft von Carlo Chamäleon, der mir sonst entgangen wäre.

Nun wird es aber Zeit, zum eigentlichen Star des Abends zurückzukehren. Und tatsächlich haben sich die königlichen Blüten weiter geöffnet.

Es sind zwei Pflanzen: links eine ältere, große, die an der Wand entlang nach oben rankt, rechts in einer Ampel ein Ableger der großen Pflanze.

Es war ein langer Tag für mich, die Blüten sind nun komplett geöffnet, die Gruson-Gewächshäuser werden in einer guten Stunde schließen, das heißt, dem Verblühen könnte ich eh nicht zusehen.  Hier ist eine Blüte, die in der Nacht zuvor geblüht hat:

Gereizt hätte mich der langsam dunkler werdende Himmel und das sich verändernde Licht. Aber ich bin echt platt, so bedanke ich mich bei den Mitarbeitern und der Kassiererin, verabschiede mich und radel in der Dämmerung nach Hause.

Leben ist, was wir draus machen

Zuhause werfe ich einen ersten Blick auf die Fotos, entscheide mich praktisch sofort für ein Lieblingsbild und lasse den Abend gedanklich Revue passieren.

Ich hab mich zwischendrin gefühlt wie in Peking, wenn ich da unterwegs gewesen bin. Natürlich fehlt mir Peking, es ist einfach eine phantastische Stadt. Aber ich merke auch, dass es gar nicht unbedingt „Peking-Feeling“ ist, das mir fehlt, sondern das Unterwegssein, das Finden von skurrilen und besonderen Orten und Gelegenheiten und diese mit viel Zeit und in aller Ruhe aufmerksam zu entdecken und zu beobachten, nicht nur, aber gerade auch mit der Kamera. Ich muss das wirklich häufiger machen, das tut mir gut. Tipps und Hinweise? Immer gern!

Fotos. Viele Fotos.

Rückspiegel (3)

Die letzte Zeit im Rückspiegel: Alltagsbeobachtungen, Anekdoten, Gedanken, die in wenigen Zeilen erzählt sind oder mit einem Bild (oder vielen) ausgedrückt werden können. Dieses Mal: Blutspende, Hamburg-Besuch und diese EM.

Blutspende

Die Zeit rennt, meine Schonfrist war schon wieder rum: Blutspende stand an.
Diesmal zog sich die Müdigkeit nur über einen Tag, nicht über zwei wie sonst, war dafür aber echt extrem. Ich muss wohl doch zusehen, dass ich künftig Freitagnachmittagstermine nehme, mitten in der Woche ist das ungünstig.

Müdigkeit ist übrigens nicht schlimm. Aber Blutspenden ist wichtig, gerade jetzt im Sommer, wo Blutkonserven oft Mangelware werden. Das Schwierigste ist die Überwindung beim ersten Mal, aber es tut nicht weh und ist ratzfatz erledigt, Zeitaufwand für mich inklusive (!) Hin- und Rückweg: gerade mal eine Stunde. Das kannst Du auch!

Hier sind die nächsten Blutspendetermine in Magdeburg. Und hier finden sich allgemeine Infos (und Termine an anderen Orten).

Landungsbrücken raus

Wollt ich leben und sterben wie ein Toastbrot im Regen?Wie ein betrunkener Hund im Zorn ohne Grund?Die Erinnerungssplitter liegen herum, ich tret rein
Und verblutend am Elbstrand die Getränke sind alleNoch ein letztes Mal winken auf dem Weg aus der LeichenhalleImmer zu viel oder zu wenig in mir
(Kettcar, Landungsbrücken raus)

Das sind nicht die Landungsbrücken, aber immerhin Elbbrücken nahe Hafencity, wenn man mit der Bahn nach Osten aus Hamburg rausfährt.

Am Wochenende war ich in Hamburg, Freundin besucht. Das ist immer schön und tut mir unheimlich gut, besonders, weil wir uns in meinen Peking-Jahren viel zu selten gesehen haben.

Aber ich merke in Hamburg auch immer wieder, wie richtig meine Entscheidung war, nicht dorthin zurückzukehren. Da ist zu viel Vergangenheit und Erinnerung. Zwar viel Schönes und Gutes, aber ein Zuviel von Schmerz und Bitterkeit, Enttäuschung und Frust, Zorn und Verzweiflung. Will ich nicht. Ich will nicht zurück gucken, das Leben ist kurz und will vorwärts gelebt werden.

Und trotzdem, die Landungsbrücken sind und bleiben einer meine Lieblingsorte auf der ganzen Welt.
Oh, und in diesem Zusammenhang auch bemerkenswert: Nur wenige Minuten Bahn-Verspätung, keine weiteren Probleme, und das sowohl bei Hin- als auch bei der Rückfahrt – warum ist das nicht immer so?

 

Diese EM

Diese EM, diese EM… *sing* Das macht Laune, nicht nur der Song von Lovely & Monty. Die nach Links oder Rechts hüpfenden Niederländer (und das passende Meme mit der Trulla, die eine Partei nach sich benannt hat) sind bislang mein Favorit unter den schönsten EM-Momenten. Zu einem Public Viewing hab ich’s bisher noch nicht geschafft, ich hoffe, spätestens am Wochenende.
Ja natürlich könnte man (zu Recht) vieles kritisieren, aber soviel Spaß und Lebensfreude – wie kann man das nicht mögen?

Stadtradeln

Heute endet das diesjährige Stadtradeln in Magdeburg. Für mich war es das erste Mal überhaupt, aber da ich sowieso fast alle Alltagswege mit dem Rad zurücklege, war das keine Frage, da mitzumachen.

Wozu Stadtradeln?

Beim Stadtradeln geht es darum, möglichst viele Wege mit dem Rad zurückzulegen. Wenn Menschen statt des Autos das Rad benutzen und vielleicht auch dabei bleiben: super. Die per App erfassten Strecken werden anonymisiert von der TU Dresden ausgewertet und die Ergebnisse den Kommunen zur Verfügung gestellt. Stadtradeln schafft Gesprächsanlässe und einen Anreiz, aufs Rad umzusteigen.

Ein kleines bisschen Ehrgeiz

Ich bin ein Spielkind, ich mag Wettbewerb, und als ich mich dann ziemlich zu Anfang schon an die Spitze des Teams gesetzt hab (es waren halt zwei Tage, wo ich viel hin und her durch die ganze Stadt fahren musste, da hat sich das von selbst ergeben), war mein Ehrgeiz geweckt: nun wollte ich auch vorne bleiben. Nach der Arbeit bin ich kleine Umwege gefahren oder habe mich abends noch mal aufs Rad gesetzt.

Da man nicht nur direkt mit der App tracken kann, sondern auch händisches Nachtragen möglich ist, hatte mich plötzlich jemand überholt – Skandal. Quatsch, eigentlich ist das ja genau Sinn der Sache, dass viele Kilometer zusammenkommen. Jedenfalls bin ich dann abends halt noch ein bisschen länger unterwegs gewesen, bis ich wieder vorne war. Und auch am Wochenende ging es aufs Rad.

Kilometer machen

An einem Abend hat mich der Junior begleitet, der für seine Schule geradelt ist, die mit Abstand das größte Team stellt. Wir Eltern haben eine unglaublich sympathische, enthusiastische Mail bekommen, mit der Einladung uns zu beteiligen, aber ich war ja schon in meinem SPD-Team. Ein paar sehr nette und lustige Teamrunden (ich habe dabei ungefähr ein Kilo Insekten eingeatmet und verschluckt, man bedauere mich!) sind auch zustande gekommen, wobei wir das in der vorigen Woche Wahlkampf-bedingt nicht geschafft haben.

Heute wollte ich nach der Landesfrauenkonferenz eigentlich noch Radfahren bis zum Umfallen, aber ich bin mal wieder in den Regen gekommen und hab dann nur einen kleineren Umweg genommen, um wenigstens insgesamt 400 km zu schaffen. Und die letzten Wochen stecken mir noch in den Knochen, da war es dann auch okay, das Rad in den Keller zu schleppen und dort zu lassen.

Mein persönliches Fazit

Eines habe ich über mich gelernt: Mir tut das draußen unterwegs sein unglaublich gut. Naja, das ist eigentlich weder Überraschung noch neu, das war ja in Peking schon so, auch wenn ich da mit dem Scooter und zu Fuß unterwegs war. Ich habe es mit Vollzeitjob ein wenig aus den Augen verloren, habe jetzt aber gemerkt, dass eine abendliche Radrunde genauso erholsam ist wie zuhause Rumzulümmeln und zu lesen. Das werde ich auf jeden Fall beibehalten, vor allem kann ich das ja auch gut mit meinem Foto-Hobby verknüpfen.

Als Zweites: ich habe in diesen drei Wochen viel mehr von Magdeburg und dem Umland gesehen als zuvor. Auch da bleibe ich auf jeden Fall dran. Ich hab auch „mein Haus“ direkt an der Elbe in Schönebeck entdeckt (steht aktuell zum Verkauf), leider fehlt gerade das nötige Kleingeld.

Dritte Schlussfolgerung: Ich brauche ein geländegängiges Rad, mit meinem Citybike stoße ich an Grenzen. Das wäre ja schon durch den Zustand vieler Magdeburger Radwege gerechtfertigt, aber Feierabend- und Wochenendtouren, die mich aus der Stadt rausführen, ließen sich damit angenehmer radeln. Und: Rad muss mit in den Urlaub (da wird’s mehr als nur ein bisschen hügelig sein). Ich mach mich mal auf die Suche.

Und schließlich: Stadtradeln macht Spaß. Ich freue mich schon aufs nächste Mal!

Rückspiegel (2)

Die Qual nach der Wahl

Ein Wahlergebnis zum Heulen. Sowohl für den Stadtrat, wo die potentiell progressive Mehrheit futsch ist und die Nazis zweitstärkste Partei geworden sind – mit genauso viel Sitzen wie die CDU. Die Europa-Ergebnisse ebenso niederschmetternd. Aber es sind ja nicht nur die vielen Sitze, die an die Nazis gegangen sind – das Schlimme ist, dass selbst nach den Skandalen der letzten Zeit, nach der Einstufung als gesichert rechtsextrem dennoch ein Drittel der Wählenden braun wählt. Das ist kein Protest, kein Versehen, kein Ausrutscher – die wissen, was sie tun. Man schämt sich nicht mehr, braun zu wählen. Und das ist das, was uns noch mehr Angst machen sollte, als die faulen, unfähigen Braunen im Stadtrat.

Kleiner persönlicher Lichtblick

Ich war ja noch nicht lange hier, da bin ich gefragt worden, ob ich zur Soli-Kandidatur bereit wäre. Ja, sicher. Von mir hing kein Plakat, nur ein paar Flyer wurden verteilt, Präsenz an Infoständen (wenn zum Großteil auch außerhalb meines Wahlbezirks) – und dafür habe ich 881 Stimmen bekommen. Auf dem Stimmzettel: Name, Beruf, Geburtsjahr – okay, und die einzige SPD-Frau in diesem Wahlbereich. Dafür, dass ich gerade nur etwas über ein Jahr hier bin, ein ordentliches Ergebnis, das mich überrascht hat, ich hatte auf rund 100 Stimmen gehofft, um mich nicht komplett zu blamieren. Danke für das Vertrauen!

Wahlkampfhigh- und lowlights

Vier Dinge werden mir besonders im Gedächtnis bleiben:

  1. Die Situation, in der ich befürchtet habe, dass mein Stadtverbandsvorsitzender am Infostand gleich eine reingehauen kriegt und der Aggressor erst abgehauen ist, als ich meine Kamera gezückt hab und gesagt hab „ich brauch noch mal ein Foto“ – da hab ich ganz schön Schiss gehabt.
  2. Überraschend viele gute Gespräche und positive Reaktionen „ich wähl euch“/“hab euch schon gewählt“/“Viel Glück!“ …. Das war in der Summe mehr als das primitive Gepöbel, das tat gut. Danke dafür!
  3. Konspiratives Banneraufhängen… Psst. 😀
  4. Das (sehr kurze) Wiedersehen mit jemanden, der mir mal wichtig war, und der Karriere gemacht hat: „Was machst Du denn hier?“ 🙂

Stadtradeln

In der letzten Woche war so viel Wahlkampf, dass (fast) keine Zeit für extra Runden geblieben ist, von daher habe ich in der zweiten Stadtradelwoche deutlich weniger Kilometer gesammelt. Nur eine kurze, aber sehr schöne Tour an einem lauen Sommerabend war drin. Gestern habe ich noch Schlaf von der langen Wahlnacht nachholen müssen, heute auf dem Rückweg von der Arbeit bin ich mal wieder in einen Regenschauer gekommen. Morgen! Eine Mittagsrunde im Team ist geplant, wenn’s nach der Arbeit noch annehmbare Temperaturen hat und trocken ist, könnte ich auch noch eine längere Runde drehen.

Mehr Musik!

So viele Konzerte, die mich interessiert haben, gab es vor Corona in Peking nicht. Für Slash, Myles Kennedy & The Conspirators und für Snow Patrol habe ich eine Karte ergattern können – mehr war nicht. Umso eindrücklicher sind beide Konzerte im Gedächtnis geblieben. Und ich wunder mich über mich selbst, dass ich das hier noch nicht wirklich angegangen bin – bis jetzt. Letzte Woche bin ich darüber gestolpert, dass die Red Hot Chili Pipers im November nach Magdeburg kommen. Weil ich diesen Song sehr mag, hab ich nicht lang gefackelt, und mir ein Ticket gesichert. Tom Walker kommt allerdings nicht mit. 😉

Als ich dann mitbekommen hab, dass Snow Patrol im Februar nach Berlin kommt, habe ich direkt zugeschlagen. Das wird sicher spannend allein wegen der Unterschiede Tempodrom in Berlin und Unplugged im Tango in Beijing.

Allein, allein…

Es ist nur schade, dass es niemanden gibt, mit dem ich das teilen könnte, aber so ist es nun mal. Die Lebensphasen, in denen man leichter Freund*innen findet, liegen ja schon ein Weilchen zurück bei mir, und zurück zur Schule und Uni will ich in Wahrheit auch nicht. Nur, hier hat keiner auf mich gewartet, die Leute haben ihr langjährig gewachsene soziales Umfeld. Ich hasse es, so „bedürftig“ zu sein, finde es seltsam, wie sehr ich mich über jede freundliche Geste freue –  und ich bin gleichzeitig so dankbar dafür.

Mein zweites Jahr in Magdeburg hat begonnen, wird Zeit, dass es auch auf der Beziehungsebene aufwärtsgeht. Vom Tindern hab ich allerdings nach 30 Minuten schon ein Schleudertrauma vom Kopfschütteln gehabt und direkt wieder deinstalliert – da klingt allein und einsam auf einmal doch ganz verlockend… 😉

Bild der Woche

Ja, ich weiß, habe ich vernachlässigt – ich gelobe Besserung. Fotografiert habe ich auch, nur zum auswählen und sonntäglichen hochladen bin ich nicht gekommen, werde ich nachtragen. Sollte ab jetzt wieder pünktlich sonntags online gehen können.

 

Kleine Radtour

Gestern habe ich es zum fünften oder sechsten Mal in kurzer Zeit geschafft, mich bis auf die Haut nassregnen zu lassen und gedacht, dass ich heute keinen Schritt vor die Tür mache. Doch heute war hier kein Starkregen mehr, aber es war ziemlich bewölkt und trüb, war nicht gut für die Laune. Nachmittags sollte es trockenbleiben, das habe ich dann ausgenutzt.

Schon wieder Schönebeck

Kevin Kühnert auf einem FahrradKomoot hatte mir eine Tour nach Schönebeck und zurück vorgeschlagen: hin auf der westlichen, zurück auf der östlichen Elbseite. An der Elbe bin ich immer gerne, also nichts wie los.

Die Hintour habe ich an Himmelfahrt schon mal mit der Magdeburger SPD gemacht  (und zurück den gleichen Weg mit Kevin Kühnert), da hab ich schon gedacht, dass ich das mal solo wiederholen müsste.

Anders als an Himmelfahrt und bei dem heute nicht so wirklich tollem Wetter hatte ich überwiegend freie Bahn – allein im Grünen, das hatte was.

Kurz vor Schönebeck wurde es immer trüber – und ich war mit „leichtem Gepäck“ unterwegs, ohne Regencape oder Jacke. Aber Glück gehabt, nass geworden bin ich nur von unten: ich habe eine tiefe Pfütze auf einem Feldweg zu spät gesehen und konnte nicht ausweichen.

Lost Place: Ruinen hinter einem Zaun, hohes Gras. Schwarz-weiß-Foto

Die Lost Places haben mich schon gelockt, aber alleine ist mir das zu unsicher.

Komoot hat mich auf eine Schleife durch Schönebeck geschickt. Mittlerweile war es so düster, dass ich überlegt habe, mir erst ein Café und dann die Regionalbahn zu suchen. Aber nö, ich war jetzt neugierig auf den Rückweg auf der anderen Seite. Also über die Elbbrücke auf die andere Seite. Die Elbe ist jetzt schon ganz ordentlich voll, mal sehen, wie sich das in den nächsten Tagen entwickelt

Elbe bei Schönebeck mit Blick auf die historischen Fachwerkhäuser.

Östlich der Elbe

Ein großer Teil des Radwegs verlief über den Deich – dass ich das super finde, muss ich nicht erwähnen, oder?

Radweg auf dem Deich

Ach ja, nebenher waren das dann heute 44 km fürs Stadtradeln. 🙂 Das ist auf jeden Fall eine Tour, die ich wieder fahren werde, vielleicht auch mal in umgekehrter Richtung. Bei besserem Wetter muss ich mir dann auch mal ein bisschen Zeit für Schönebeck nehmen, die historischen Fachwerkhäuser direkt am Fluss sehen schon toll aus.

Fotos

 

Rückspiegel (1)

Die letzte Zeit im Rückspiegel: Alltagsbeobachtungen, Anekdoten, Gedanken, die in wenigen Zeilen erzählt sind oder mit einem Bild (oder vielen) ausgedrückt werden können.

Blutspende

Letzten Mittwoch war ich wieder bei der Blutspende. Das DRK kooperiert seit einiger Zeit mit der Blutbank der Uniklinik, d.h. ich muss nicht immer wieder woanders hin. Diesmal habe ich es zum ersten Mal erlebt, dass es richtig voll war. Da warte ich doch gern ein paar Minuten, bis ich dran bin. Ein Nachwuchsdoc hat sich über meine China- und meine Krankengeschichte (nein, Salmonellose als Kind ist kein Ausschlussgrund) gefreut, hat es erstmal so ausgefüllt und bewertet, wie er es richtig fand (was nicht so schwer gewesen sein kann, da ich ja seit der Rückkehr nach Deutschland regelmäßig spende) und sich anschließend noch bei der Chefin rückversichert.

Mittlerweile weiß ich, dass ich hinterher ein bisschen länger rumliegen muss, weil der Kreislauf sonst zickt, aber wenn ich dann wieder in der Senkrechten bin, ist auch alles gut. Auf die paar Minuten mehr kommt’s da echt nicht an. Ich bin nur 2-3 Tage danach unfassbar müde, aber auch darauf kann ich mich einstellen.

Das einzig wirklich Unschöne dieses Mal war, dass ich auf dem Hinweg an einer Ampel beinahe unter die Räder eines abbiegenden Autos gekommen wäre. Das war echt unangenehm knapp und beängstigend – und erklärt meine frustriert-genervte Grundhaltung beim Termin am nächsten Tag…

Radverkehrskonzeption – Beteiligung gestartet

Da hat nämlich mit einer Veranstaltung in der Mensa des Baudezernats die Bürger*innen-Beteiligung an der Radverkehrskonzeption begonnen. Hier kann man sich noch bis zum 9. Mai 2024 online beteiligen.

Ich stehe dieser Beteiligung grundsätzlich positiv gegenüber. Ich finde es gut, dass die Stadt den Radverkehr fördern und sicherer machen möchte. Dass man die Leute einbezieht, die es betrifft, diejenigen, die Erfahrung haben, die aus eigener Anschauung wissen, wie es ist, sich in der Stadt mit dem Rad zu bewegen – das ist gut und richtig so. Spannend wäre, ob auch diejenigen erreicht werden, die Radfahren im Alltag (noch?) zu unsicher finden, die haben sicher noch mal ganz andere (Sicherheits-)Wünsche als diejenigen, die bereits schon überwiegend mit dem Rad unterwegs sind.

Unschön ist, wenn während einer solchen Veranstaltung Fragen durch einen Verwaltungsmitarbeiter pampig im Stil von „Google das doch selbst“ beantwortet werden (anstelle selbst zu sagen, wer dem Fachbeirat angehört) – so ein Gewese und Geheimnis daraus zu machen, ist intransparent und sorgt nicht ganz zu Unrecht für Skepsis. Und zwar sowohl was die Zusammensetzung des Fachbeirats angeht als auch den kompletten Prozess. Unnötig.

Aufgefallen ist mir, wie oft bei dieser Veranstaltung von „Spaß“ die Rede war. Klar ist es schön, wenn Radfahren auch Spaß macht, bei mir steht aber meine Mobilität im Vordergrund, dass ich schnell und sicher mit dem Rad in der Stadt unterwegs sein kann.

Ich habe mich inzwischen online beteiligt, wobei mir ein bisschen was aufgefallen ist. Grundsätzlich ist es so, dass man mithilfe einer „Dialogkarte“ Beiträge verfassen, kommentieren, liken kann. Die Beiträge sollte man einer der vier Kategorien zuordnen:

  1. Mängel und Gefahrenstellen an bisherigen Radverkehrsverbindungen – rot markiert
  2. Verbindungswünsche bzw. Netzlücken – grün
  3. Orte mit Bedarf an Fahrradabstellanlagen – blau
  4. Fahrradabstellanlagen mit Verbesserungsbedarf – hellblau.

Wenn man jetzt, ein paar Tage nach dem Start der Beteiligung auf die Karte schaut, fällt sofort auf, dass mit Abstand die meisten Punkte rot sind. Und man sieht, dass die meisten Punkte sich im Zentrum befinden, wohingegen südöstlich fast kein Punkt zu sehen ist. Das sagt aber auch schon eine Menge aus.

Dass „Mitsenfen“ (die genutzte Software heißt „senf.app“) ist nicht so irre komfortabel. Die Textboxen sind für manche Problembeschreibungen zu klein (also muss ich für ein und dieselbe Stelle mehrere Beiträge verfassen). Ich bin nicht so zeitreich, dass ich für jede Stelle, wo Baumwurzeln einen Radweg unbenutzbar gemacht haben, einen eigenen Beitrag eröffnen kann. Da verlasse ich mich darauf, dass die bezahlten Projektmitarbeiter*innen das sehen und entsprechende Hinweise geben. Die Möglichkeit, solche generellen, überall in der Stadt vorhandenen Probleme zu benennen, fehlt. Andererseits sollte sich das inzwischen herumgesprochen haben. Und sehr viele der Hinweise sollten der Stadt auch längst durch den „MD-Melder“ bekannt sein.

Irritiert hat mich, dass ich meine bereits eingegeben Beiträge nicht wiederfinden konnte, da hatte ich die Aussage „Beiträge werden von uns geprüft“ noch im Ohr. Aber es ist nur ein Darstellungsproblem: man kann Punkte oder Wegeverbindungen eingeben, und es wird immer nur das eine oder das andere angezeigt.

Dennoch: unterm Strich ist es wirklich gut, dass die Stadt sich ein modernes Radverkehrskonzept geben will und von vornherein auch die einbezieht, die es betrifft. Und positiv ist auch, dass eine Anregung aus der Veranstaltung aufgenommen und umgesetzt wurde: das Tool ist jetzt auch auf Englisch verfügbar. Das ist doch ein gutes Zeichen dafür, dass auch die inhaltlichen Anregungen Gehör finden werden.

Im kommenden Frühjahr (noch kein konkreter Termin) wird es in Sachen Beteiligung mit einem Workshop weitergehen.

Vielleicht hat meine derzeit genervte Haltung in Sachen Radverkehr auch damit zu tun, dass ich beinah täglich brenzligen Situationen ausgesetzt bin, die Situation auf dem Weg zur Blutspende war in den letzten Tagen nur die brenzligste. Autos, die mich überholen, schneiden und sich vor mich auf den Radstreifen setzen. Autos, die grundsätzlich auf dem Radstreifen fahren oder parken. LKWs, die unangenehm dicht an mir vorbeifahren. Fußgänger, die gemütlich auf dem Radweg spazierengehen und mich zur Vollbremsung zwingen. Und immer wieder die Wahl: Buckelpiste samt Sturzgefahr oder Fahrbahn und Auto-Gefahr?

Je nach Tagesform finde ich es lustig, bemerkenswert oder traurig, dass ich mich als Zweiradfahrerin auf Pekings Straßen sicherer gefühlt habe als in Magdeburg. Das fühlt sich komplett falsch an.

Besuch

Mein Bruder war zu Besuch hier. Über den Anlass schweige mich lieber aus (hat was mit Sport zu tun 😉 ). Wir hatten aber viel Zeit zum Quatschen und zum Sightseeing. Und als ich ihn durch die Stadt geführt habe, ist mir aufgefallen, wie sehr ich mich nach einem Jahr schon mit Magdeburg identifiziere. Nun muss er bald mal wieder kommen, weil es noch viel mehr zu entdecken gibt.

 

 

 

 

Pedal Power – Radrunde mit ADFC und Bürgermeisterin

Mein Hauptverkehrsmittel ist mein eBike. Bei Bedarf nutze ich Straßenbahn, teilauto (Carsharing), Leih-eScooter… Aber am Liebsten bin ich mit dem Rad unterwegs: geht fix, ich bin unabhängig, bekomme ein bisschen Bewegung. Dazu die „views from the bike lane“ – Magdeburg Edition… Wobei: bike lanes gibt es nicht durchgängig, leider. Klassische Radwege auch nicht – und die, die es gibt, sind zu einem nicht unerheblichen Teil in einem erbärmlichen Zustand. Wo immer die nicht verpflichtend sind, fahre ich lieber auf der Straße, da mir das Risiko auf den Buckelpisten zu stürzen größer scheint, als von einem Autofahrer, der ja an seiner teuren Blechkiste hängt, umgenietet zu werden.

Also bin ich Anfang des Jahres in den ADFC eingetreten und gehe, wenn ich Zeit habe, zu den Radkultur-Treffen und bringe mich da ein. Mehr für sicheres und bequemes Radfahren zu tun – da bin ich dabei.

Vor-Ort-Termin

Heute war ich mit dem ADFC und der Oberbürgermeisterin mit dem Rad unterwegs – es ging u.a. durch Sudenburg und Ottersleben. Ziel: Sich ein Bild von der Situation machen, im Anschluss auswertende Besprechung.

Am Treffpunkt gab es kurze Ansprachen, u.a. von Bürgermeisterin Simone Borris. Dass der LKW mit dem Kettensägenbild gerade vorbeifuhr – als Streetfotofan ein Muss, da abzudrücken… Sorry. 😉

Kurz nach dem Start ein erstes Aha-Erlebnis: Ich fuhr hinter der Bürgermeisterin, die auf einmal auf dem Gehweg fuhr. „Oh, habe ich gar nicht gesehen.“ Ja, genau: die Beschilderung und Kennzeichnung auf dem Boden (wenn überhaupt vorhanden) ist an viel zu vielen Stellen zu schlecht zu erkennen.

Nächstes Ärgernis: unintelligente, selten blöde Ampelschaltungen. 30 Räder, 3 Autos – was stimmt hier nicht? Vorsintflutlich. Wobei ich fairerweise zugeben muss, dass die Wartezeit an dieser kleineren Kreuzung noch halbwegs im Rahmen war, da gibt es ganz andere große Kreuzungen hier (Damaschkeplatz!), die so unfassbar dumm geschaltet sind, da fehlen mir die Worte.

Schönes, warmes Frühlingswetter – eigentlich macht es bei diesen Witterungsbedingungen wirklich Spaß, mit dem Rad unterwegs zu sein.

Der Spaß ist aber ganz schnell vorbei, wenn’s über Kopfsteinpflaster geht. An dieser Stelle sind wir glücklicherweise umgedreht, aber später kam noch mehr davon.

Asphaltierte Straße ohne Autos – zu gut. Leider die Ausnahme.

Zwischenstopp an der Tangente. Hier fehlt eine Brücke für Fuß und Rad – Schulkinder müssen ohne diese einen weiten und unsicheren Umweg auf sich nehmen, wie diese Anwohnerin im Gespräch mit Martin Hoffmann vom ADFC berichtet.

Über quasi Feldwege und Kopfsteinpflaster ging es dann zur Feuerwache nach Sudenburg zurück. Auf einem der Wege war der Schotter so tief, dass mir das Vorderrad weggesackt ist. Kopfsteinpflaster an sich macht mir ja schon Kopfschmerzen, aber wenn die Straße selbst auch noch total buckelig ist – zack, Rad weggerutscht. Zum Glück konnte ich mich beide Male abfangen.

Abschlußgespräch in der Feuerwache am Ambrosiusplatz

Nach den einleitenden Höflichkeiten die Aufforderung ans Publikum, sich zu melden. Tat erstmal keiner, also habe ich die Oberbürgermeisterin nach ihrem Fazit nach der Tour gefragt: ob sie denkt, dass es sicher und bequem ist, in Magdeburg mit dem Rad zu fahren.

Tja. Einerseits weiß ich, dass sie als Bürgermeistern nicht wirklich sagen möchte „ist richtig Mist“ (auch wenn das die ehrliche Antwort gewesen wäre). Aber zu sagen, dass man sich im Auto ja immer sicherer fühlt und mit Whataboutism zu kommen, ist dann auch nicht zielführend. Es gibt immer noch Ecken in Magdeburg, wo sich seit Jahrzehnten nichts getan hat und wo wirklich dringend was passieren muss (nicht nur in Sachen Radinfrastruktur). Das ist nicht gut, hat aber nichts damit zu tun, dass auch auf der heute abgefahrenen Strecke viele Probleme bestehen, die bestenfalls Leute vom Radfahren abhalten, aber schlimmstenfalls schlimme Unfälle begünstigen.

Ein anderer Mit-Radler hat das Problem angesprochen, dass viele Radwege grundsätzlich viel zu schmal für heutige Verhältnisse sind (eBikes, die auch mal überholen wollen, breite Lastenräder oder Anhänger). Und dann gibt es tatsächlich die Situation, dass auf dem Radweg ein Baum steht. Wir sind an solchen Engstellen vorbei gekommen heute. Das Anliegen, dass man davor wenigsten warnen muss, solange der Radweg nicht verlegt werden kann (Beschilderung, Farbe auf dem Weg, Beleuchtung…): das wurde von Seiten der anwesenden Verwaltung überhaupt nicht verstanden – oder sie haben bewusst dran vorbeigeredet, was es auch nicht besser macht.

Kein Geld, kein Personal? Ich sehe da eher: kein Interesse, kein Wille, kein Weg.

Vision Zero?

Tja, selbst wenn die Probleme als solche erkannt werden, selbst da, wo es schon Lösungsvorschläge oder Stadtratsbeschlüsse gibt: es fehlt an Geld, es fehlt an Personal. Wobei das ja auch immer eine Frage der Prioritäten ist. Vision Zero – das ist meiner Meinung nach das Wichtigste in der Verkehrspolitik. Vision Zero bedeutet: es gibt keine Verkehrstoten und Schwerverletzte im Verkehr mehr. Das heißt: Verkehrspolitik müsste sich an den Schwächsten orientieren: Kindern, Senior*innen, Mobilitätseingeschränkten – denen, mit nicht vorhandener Knautschzone. Davon profitieren unterm Strich alle. Niemand ist Nur-Autofahrer, zumindest so lange man sich nicht vom Sessel ins Auto beamen kann.

Aber es ist nicht nur die Vision Zero – da ist auch noch die Sache mit dem Klima. Wenn wir da nicht zügiger und konsequenter handeln, werden wir mit den bitteren Konsquenzen leben/sterben müssen. Es ist im Interesse von uns allen, mehr Menschen vom Auto aufs Rad zu kriegen. Aber wie denn?  Auto steht für bequem und schnell. Beides können Räder von heute auch sein, wenn da nicht die marode Infrastruktur wäre und Radelnde sich oft fragen müssen, wie vertretbar die Risiken sind, die sie eingehen. Vor diesem Hintergrund ärgert mich die Aussage der Bürgermeisterin, Autofahren sei ja per se immer sicherer, noch mehr.

Ärgernis am Rande

Gerne hätte ich noch das Thema Kopfsteinpflaster, fieser Schotter, Buckelpisten und auch Haftungsfragen (!) angesprochen und auch andere Bürger*innen schienen noch Fragen oder Stellungnahmen zu haben. Aber einer der anwesenden Stadträte hat übermäßig viel Redezeit beansprucht – und dass, nachdem die OB bereits angekündigt hatte, in fünf Minuten gehen zu müssen und obwohl er als Stadtrat ständig mit OB und Beigeordneten sprechen könnte und das auch (hin-)länglich in Stadtratssitzungen tut. Die fünf Minuten hat er locker selbst ausgefüllt – wenn auch nicht wirklich zielführend, denn wen in dieser Runde interessiert eine Drucksachennummer? Tja, das ist mir im Gedächtnis geblieben, was er inhaltlich mitzuteilen hatte: Fehlanzeige. Ups. Dass (auch weitere) Stadträte dabei waren: sehr gut. Zuhören, aufpassen, Themen mitnehmen, aufgreifen, sich kümmern. Aber nicht denjenigen, die sonst nicht die Gelegenheit dazu haben, die Redezeit wegnehmen.

Dranbleiben

Es macht einen Unterschied, ob ich als Schönwetterradler ausnahmsweise mal eine kleine Tour mache – oder ob ich das Rad als Verkehrsmittel für (fast) alle meine täglichen Wege nutze. Als „Ausflügler“ hat man Zeit, kann auch mal Absteigen und Schieben, wenn die Bedingungen so gruselig sind. Das ist für uns Alltagsradler*innen nicht wirklich drin auf unseren täglichen (Arbeits-)Wegen.

Es macht einen Unterschied, ob ich einmal im Quartal eine Buckelpiste entlangfahre – oder ob ich mir das Tag für Tag geben muss.

Auch wenn das heute insbesondere nach dem Abschlussgespräch eher ernüchternd bis frustrierend war – es heißt: dranbleiben.

Ich würde mir wünschen, dass das traditionelle, bucklige Kopfsteinpflaster sich zu den Plumpsklos gesellt: auf den historischen Friedhof. Dass überall, wo es den Platz dafür gibt, geschützte Radstreifen eingerichtet werden. Dass an Stellen, wo kein Platz für Radwege/Radstreifen ist, ein Tempolimit 30 km/h eingeführt wird. Dass Abbiegeassistenten verpflichtend werden. Dass Radelnde endlich den Autofahrenden gleichgestellt werden und Rad-Interessen daher bis auf Weiteres bevorzugt geplant, finanziert und umgesetzt werden.

Ich glaube nicht, dass das „Wünsch dir was“ ist – sondern schlicht und einfach notwendig.

Die Kunst, neue Bindungen zu knüpfen – und ohne auszukommen

Ich bin in einer Stadt voller Fremder erst gestrandet, dann gelandet und nun so langsam angekommen. Und doch fühle ich mich manchmal wie ein verlorenes Puzzlestück, das nirgendwo so recht hineinpasst. Diese Erfahrung machen sicher viele, die sich in einer neuen Stadt niederlassen, aus welchen Gründen auch immer. Aber egal, warum man in einer neuen Stadt neu anfängt: mit dem Neuanfang kommen auch neue Herausforderungen.

Samstagnachmittag habe ich mein Carsharing-Auto zurückgebracht und bin aus der Innenstadt nach Hause geradelt. Tolles Wetter. Im Fürstenwallpark am Dom blüht ein blau-lila Blumenteppich, fast jeder bleibt hier stehen, um ein Foto zu schießen. Auf dem Domplatz, am Hundertwasserhaus, auf dem Breiten Weg, rund ums Allee-Center – da steppt der Bär. Auch weiter in Richtung City-Carré, Bahnhof und Damaschkeplatz ist richtig viel los.

Aber dann biege ich in die Große Diesdorfer Straße ein und vor mir: nichts. Stille Leere in einer Straße, die mir vor Kurzem noch völlig unbekannt war. Überhaupt fühlt sich die Stadt, die ich inzwischen als mein Zuhause betrachte, merkwürdig still an. Klar, das ist kein Wunder, wenn man vorher in Peking gelebt hat. Dass ich mich in Peking anfangs verloren gefühlt habe: das war zu erwarten. Aber zurück zuhause in Deutschland – damit hätte ich nicht gerechnet, mich selbst inmitten von Menschenmengen verloren zu fühlen.

Manchmal hätte ich gerne einen Kompass, um mich in den sozialen Gewässern der Stadt zurechtzufinden. Es ist, als ob ich auf einem Ozean der Anonymität treibe, ohne zu wissen, welcher Hafen der richtige ist. Die Versuchung, mich in mein kleines Nest zuhause zurückzuziehen, ist groß, aber gleichzeitig weiß ich, dass das keine Lösung ist.

Hier kennt mich noch kaum jemand, niemand hat auf mich gewartet. Ich bin es, die aktiv werden muss, auch wenn das Zeit, Geduld und Kraft braucht.

Ich habe zum Glück meine Familie und meine Freundinnen vor allem in Hamburg, die nun nicht mehr Tausende Kilometer und Langstreckenflüge entfernt sind, sondern nur wenige Hundert Kilometer und ein paar Bahn- oder Autostunden. Gut machbar am Wochenende. Aber mir fehlt jemand vor Ort, hier für den Alltag und das Private, abends nach der Arbeit auf einen Absacker, dieses spontane kurz mal Vorbeikommen oder zusammen was zu unternehmen. Wird sich alles noch finden, aber noch gibt es da eine Lücke.

Aber in dieser Lücke entdecke ich auch meine Stärke und meine Unabhängigkeit. Ich kann mir selbst vertrauen, ich mag meine eigene Gesellschaft und kann gut mit mir allein sein. Und so ganz allmählich gibt es sie, die ersten Verbindungen. Die kleinen Gesten von Menschen in meinem Umfeld, die Gespräche mit ihnen, die mir zeigen, dass ich nicht ganz allein bin.

Es wird.

 

Nie wieder ist jetzt

Ein starkes Zeichen gegen Rechts

Ein breites Bündnis hatte zur Demo gegen Rechts am 17. Februar 2024 aufgerufen – über 100 Organisationen, darunter Gewerkschaften, Kirchen, Parteien… Und gerade Letzteres habe ich als sehr positiv empfunden, denn auf den letzten Veranstaltungen gegen Rechts wurde von vereinzelten Rednern Regierungsparteien in die Nähe der AfD gerückt. Das. Geht. Gar. Nicht. Das ist geschichtsvergessen, grundfalsch und dumm und hat mit berechtigter (!) Kritik NULL zu tun.

Es wird Zeit, dass begriffen wird: wir können jetzt nicht über Halbsätze und andere Kleinigkeiten streiten, denn wir brauchen ein breites Bündnis, um den blaubrauen Sumpf auszutrocknen, bevor es zu spät ist. Wohin eine gespaltene Linke führt, haben wir (bzw. unsere Eltern, Großeltern, Urgroßeltern) im letzten Jahrhundert gesehen. Die Situation ist so bedrohlich, wir brauchen alle demokratischen Parteien an Bord, auch wenn sie nicht „links“, sondern konservativ oder liberal sind.

Jetzt ist die Zeit, kompromissfähig zu sein und bei allem, was sonst trennt, in einem klar gemeinsam einig zu sein: Kein Fußbreit dem Faschismus.

Dem Aufruf sind viele gefolgt. Klar, die absoluten (und relativen) Zahlen in Hamburg, Berlin, München sind beeindruckend. Aber hier erfordert es tatsächlich ein Quantum Mut, um sich aufzumachen – der Anteil der Blaubraunen ist hier deutlich höher, die Bedrohung ist real. Und von daher sind die 5-6000 Menschen, die hier auf die Straße gegangen sind, ein großer, ermutigender Erfolg. Nun heißt es: Dranbleiben.

Ein Satz aus den vielen Reden, der mich besonders berührt hat:

Wir sind hier nicht vor dreißig Jahren vom Dom aus losgegangen, um heute 90 Jahre früher anzukommen.

Fotos

Es geht los am Hauptbahnhof:

Natürlich sind die Omas gegen Rechts mit dabei!

Und „Bärte gegen Rechts“ sind auch dabei:

Der Demonstrationszug kommt am Dom an.

Demo gegen Rechts, Magdeburg, SW-Bild

Während der Kundgebung auf dem Domplatz – Blick auf den Dom:

Und auf den Landtag und in Richtung Bühne:

Die Partei ist auch dabei:

 

Hoffnung?

Wir sind mehr

Natürlich hängt mein Herz noch an Hamburg, und wenn in Hamburg Gutes passiert, freut mich das. Dass die Demo gegen Rechts wegen Überfüllung abgebrochen werden musste, stimmt mich besonders froh. Selbiges gerade in München. Und überall in der Republik kommen Tausende, Zehntausende, in der Summe Hunderttausende zusammen.

Aus Magdeburg gibt es nicht ganz solche Rekordzahlen zu vermelden, allerdings ist hier schon die ganze Woche über Aktionswoche gegen Hass und Hetze – und das war erfolgreich: Naziaufmärsche anlässlich des Jahrestags der Zerstörung Magdeburgs im 2. Weltkrieg hat es nicht gegeben. Auch das ist eine sehr gute Nachricht.

Zusammenhalt ist nötig

Kurzer Exkurs: schon wieder höre ich von Konflikten innerhalb der Aktiven, wer mit wem gemeinsam aufrufen kann und wer nicht beim organisieren dabei sein soll; Abgrenzungen oder Unwille zur Zusammenarbeit, weil man mit einzelnen Positionen, Parteien (demokratischen!) oder Personen Probleme hat. Das gab es schon mal, und wir wissen, wo’s hingeführt hat. Aktuell geht es um nichts weniger als die Verteidigung der Demokratie bevor die Demokratiefeinde diese abschaffen. Diese Spaltung und Zersplitterung stimmt mich traurig.

Wenn nicht mal die fortschrittlichen Kräfte in der Lage sind, mit Kompromissen und Widersprüchen zu leben, wie sollen dann die Verblendeten, Verführten überzeugt werden, die auf die vermeintlich simplen Antworten der AfD auf die komplexen Herausforderungen unserer Zeit hereinfallen?

Wann, wenn nicht jetzt?

Die Umfragewerte der AfD sind bedrückend, viel zu hoch. Dass – regional unterschiedlich ausgeprägt – bis zu einem Drittel der Leute sich bei denen wiederfindet, ist erschütternd. Hat die Gesellschaft und besonders das Bildungssystem so krass versagt, nicht nur bei der Vermittlung von Geschichte, sondern auch von Werten?

Da schenkt es gerade ein bisschen Hoffnung, dass die schweigende Mehrheit nicht mehr schweigt, sondern überall im Land laut und sichtbar wird. Aber so ermutigend das ist: es wird nicht reichen, ist aber hoffentlich Anstoß, entschlossener gegen die AfD vorzugehen.

AfD-Verbot jetzt auf den Weg bringen

Denn Hoffnung und der Hashtag #wirsindmehr allein, das reicht nicht. Seit der Correctiv-Berichterstattung über das Potsdamer Treffen sollte jedem und jeder klar sein, wohin die Reise mit der AfD geht. Es ist höchste Zeit für ein Verbot. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes standen noch unter dem direkten Eindruck des Dritten Reichs und haben sich etwas dabei gedacht, als sie das Instrument des Parteienverbots entwickelt haben. Ich kann das Gegenargument „man muss die AfD politisch stellen“ nicht mehr hören – das ist zwar auch wichtig, klappt dennoch seit vielen Jahren nicht, die AfD ist im Aufwind. Das mit der Medienkritik lasse ich heute mal außen vor, false balance und Co. haben aber auch einen nicht zu unterschätzenden Anteil am Aufstieg der Blaubraunen.

Ein Verbotsverfahren wird sich jahrelang hinziehen, und wenn’s ganz übel läuft, könnte es scheitern. Aber beides ist kein Grund, es nicht zu tun. Chan-Jo Jun, Anwalt und unter anderem am Bayrischen Verfassungsgerichtshof tätig, glaubt, dass selbst ein gescheitertes Verbotsverfahren der Demokratie nutzen könnte, weil es die AfD zwänge, sich zu entradikalisieren. Aber das Scheitern ist unwahrscheinlich, die Situation heute ist doch eine andere als beim NPD-Verfahren.

AfD-Verbot ist das eine, das andere ist, dass damit das braune Gedankengut nicht aus den Köpfen der AfD-Anhänger ist. Ich wünsche mir, dass der Rechtsstaat seine Mittel stärker ausschöpft: in den Reihen der Bundeswehr und der Polizei (wieviele Ekel-Chats sollen denn noch bekannt werden, bevor sich was tut?), in der Lehrerschaft, in Behörden (gerade in Ausländerbehörden sollte mal genauer hingeschaut werden). Schluss mit der angeblichen Toleranz, die nichts weiter ist als Beliebigkeit. (Den Popper-Exkurs spare ich mir jetzt mal.)

Das „politische Stellen der AfD“ muss trotzdem weiter betrieben werden, hoffentlich mit mehr Erfolg als bisher. Da geht es vor allem auch um Werte. Mit Hass und Hetze, Neid und Missgunst lässt sich keine gute Politik machen. Wer an einer guten Zukunft arbeiten will, muss die Menschen mögen und auch mal gönnen können (bzw. das vermitteln können und nicht direkt immer umfallen). Es braucht beides: AfD-Verbot und gute Politik.